Wir Erwachsene denken oft, dass unser Kind zu jung ist, um den Tod zu verstehen. Wir versuchen, es vor der Realität des Todes zu schützen. Tatsächlich verstehen Kinder die Realität des Todes besser als Erwachsene. Je nach Altersgruppe haben sie unterschiedliche Ansichten über Leben und Tod. Um Kindern in diesem Bereich zu helfen und sie besser zu verstehen, müssen wir uns als Erwachsene mit dem Thema auseinandersetzen und wissen, dass Kinder den Tod in verschiedenen Altersgruppen unterschiedlich wahrnehmen. Kinderpsychiaterin Dr. Hülya Bingöl erklärt das Konzept des Todes für Kinder.
Die ersten fünf Jahre Die Gedanken der Kinder über den Tod beginnen sehr früh. Diese Gedanken haben großen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes, seine Sozialisierung und die Entwicklung religiöser Gefühle. Bereits im jungen Alter haben Kinder ein Bewusstsein für das Lebendige und das Leblose. Sie beobachten den Tod von Pflanzen und Lebewesen und versuchen, diese Erfahrungen mit Begriffen wie Schlaf, Trennung, das Aufgeben von Gewohnheiten (wie dem Schnuller) und grundlegenden Bedürfnissen zu verbinden. Der berühmte Forscher und Vater der kindlichen Entwicklung, Jean Piaget, hat eine Reihe von Studien durchgeführt, um zu verstehen, wie Kinder Konzepte des Lebens verstehen. Er untersuchte die Ergebnisse in vier Phasen: In der ersten Phase (3 bis 6 Jahre) werden alle Ereignisse als lebendig betrachtet. Zum Beispiel ist eine brennende Kerze lebendig, weil sie Licht gibt. In der zweiten Phase (6 bis 8 Jahre) wird Leben und Lebendigkeit nur durch Bewegung definiert. In der dritten Phase (8 bis 12 Jahre) betrachtet das Kind Dinge als lebendig, die sich von selbst bewegen. In der vierten Phase erkennt das Kind schließlich, dass nur Pflanzen, Tiere und Menschen lebendig sind. Für viele Kinder unter fünf Jahren bedeutet Tod keine Endgültigkeit. Sie betrachten den Tod als eine Reise oder als einen Schlaf, aus dem man wieder erwachen kann. Für Kinder kann es sich ähnlich anfühlen, wenn Mutter oder Vater zur Arbeit gehen. Diese Gleichsetzung von Tod und Trennung kann zu intensiven Gefühlen von Schmerz und Trauer führen. Kleine Kinder empfinden den Tod emotional als eine Trennung von einer wichtigen Person. Sie haben eine extreme Angst davor, von ihren Eltern verlassen zu werden. Diese Verlustangst beginnt im ersten Lebensjahr und hält bis zum achten Lebensjahr an. Nach einem Todesfall in der Familie oder im Umfeld zeigen sie oft übermäßige Anhänglichkeit und wollen nicht allein gelassen werden. In diesem Alter haben Kinder ein sehr begrenztes Zeitverständnis. Sie können die Endgültigkeit des Todes nicht akzeptieren und betrachten ihn als etwas Vorübergehendes. Ab etwa vier Jahren beginnen Kinder, den Tod zu begreifen. Sie erkennen, dass er etwas anderes ist, aber sie verbinden ihn nicht mit Emotionen. Das Töten von Ameisen oder das Spielen von „toten“ Spielen ist in dieser Altersgruppe häufig.
Nach dem fünften Lebensjahr Ein realistisches Verständnis des Todes beginnt im Grundschulalter. In dieser Entwicklungsphase versuchen Kinder, den Tod mit ihren Gefühlen zu verbinden. Sie können die Situation emotional nachvollziehen und ihre Trauer ausdrücken, aber sie glauben immer noch, dass sie selbst nicht betroffen sind. Das Konzept, dass der Tod in jedem Alter eintreten kann, hat sich noch nicht entwickelt. Sie personifizieren den Tod mit Figuren wie dem Teufel oder Engeln. Soziale Umgebung und religiöser Glaube beeinflussen diese Wahrnehmung ebenfalls. Ein fünfjähriges Kind kann nicht akzeptieren, dass es zuvor nicht existierte und eines Tages nicht mehr existieren wird. Kinder in diesem Alter leben im „Hier und Jetzt“. Sechsjährige beginnen, sich für das zu interessieren, was nach dem Tod geschieht. Einerseits haben sie konkrete Vorstellungen über den Tod (z. B. „Man kommt in einen Sarg“), aber sie verbinden damit wenig emotionale Tiefe. Ab dem achten Lebensjahr beginnen Kinder zu akzeptieren, dass jeder eines Tages sterben wird, einschließlich sie selbst. Ab neun Jahren akzeptieren sie den Tod als einen natürlichen Vorgang, der für alle Lebewesen gilt.
Der Tod in der Adoleszenz In der Pubertät variiert das Verständnis des Todes je nach emotionalem Zustand und psychologischer Struktur. Jugendliche stellen Fragen nach dem Sinn des Lebens und der Unendlichkeit und suchen nach ihrer eigenen Identität. Diese Suche ist oft mit Angst und Unsicherheit verbunden. Jugendliche, die todkrank sind, haben oft ein anderes Verständnis des Todes als ihre gesunden Altersgenossen. Jugendliche sprechen selten gern über den Tod.
Trauer bei Kindern und Jugendlichen Für Kinder und Jugendliche ist der Trauerprozess nach dem Tod eines geliebten Menschen ebenso schwierig wie für Erwachsene. Trauer ist eine natürliche Reaktion des Körpers und Geistes auf Trennung und Verlust. Sie äußert sich auf vielfältige Weise, z. B. durch Schreien, Wut, Schuldgefühle und Hoffnungslosigkeit. Kinder brauchen in dieser Zeit besonders viel Zuwendung, um den Verlust zu verarbeiten.
Wann sollte Unterstützung in Anspruch genommen werden?
- Wenn das Kind jünger als vier Jahre ist und einen Elternteil verliert
- Bei einem Umzug
- Bei finanziellen Problemen
- Bei plötzlichen, unerwarteten Todesfällen
- Nach einer Krankheit, die länger als sechs Monate dauert
- Wenn ein Kind bei der Geburt oder kurz danach seine Mutter verliert
- Wenn ein Teenager seinen Vater verliert
- Wenn ein Kind ein Geschwisterkind verliert
Es ist wichtig, mit Kindern offen über den Tod zu sprechen und ihnen zu versichern, dass sie keine Schuld daran tragen.