Selbstverletzendes Verhalten ist ein vielschichtiges Phänomen, das häufig Ausdruck innerer Spannungen, seelischer Überforderung oder fehlender Bewältigungsstrategien ist. Betroffene fügen sich selbst Verletzungen zu – nicht um zu sterben, sondern um mit intensiven Gefühlen wie Schmerz, Wut, Leere oder Angst umzugehen. Die Selbstverletzung dient dabei oft als kurzfristiges Mittel zur Spannungsreduktion oder zur Selbstberuhigung.
Warum verletzen sich Menschen selbst?
Die Gründe für selbstverletzendes Verhalten sind sehr individuell, oft jedoch vielschichtig und tief verwurzelt. Häufige Auslöser sind:
Psychische Erkrankungen, z. B. Depressionen, Angststörungen, Borderline-Persönlichkeitsstörung
Traumatische Erfahrungen, z. B. Missbrauch, Vernachlässigung oder Gewalt
Familiäre Konflikte oder instabile Beziehungen
Mobbing und sozialer Ausschluss
Gefühl innerer Leere, emotionaler Taubheit oder Kontrollverlust
Viele Menschen, die sich selbst verletzen, beschreiben das Verhalten als einen Versuch, den seelischen Schmerz körperlich „sichtbar“ zu machen. Der physische Schmerz wirkt dabei oft als kurzfristige Erleichterung, lenkt von quälenden Gedanken ab oder vermittelt ein Gefühl von Kontrolle – wenn auch nur vorübergehend.
Welche Gedanken stehen hinter dem Verhalten?
Häufig sind es sehr belastende Gedanken und Emotionen, die dem selbstverletzenden Verhalten vorausgehen, z. B.:
Tiefer Selbsthass, Schuld- oder Schamgefühle
Gefühle von Hilf- und Hoffnungslosigkeit
Überwältigende Traurigkeit, Wut oder Angst
In einem solchen emotionalen Ausnahmezustand erscheint die Selbstverletzung als eine kurzfristige Lösung – obwohl sie langfristig schädlich ist und keine wirkliche Bewältigung darstellt.
Formen von selbstverletzendem Verhalten
Selbstverletzendes Verhalten äußert sich auf unterschiedliche Weise. Zu den häufigsten körperlichen Formen zählen:
Schneiden oder Ritzen der Haut mit scharfen Gegenständen
Sich schlagen oder gegen Wände stoßen
Verbrennungen, z. B. mit Feuer oder Zigaretten
Sich absichtlich blaue Flecken zufügen
Vergiftungen oder gefährlicher Substanzgebrauch
Doch nicht jede Form der Selbstschädigung ist sichtbar. Auch nicht-körperliche Formen gehören zum Spektrum:
Essstörungen als Form der Selbstkontrolle oder Selbstbestrafung
Selbstabwertende Gedanken und negativer innerer Dialog
Risikoverhalten (z. B. extremes Fasten, gefährliches Autofahren)
Freiwillige soziale Isolation, um sich selbst zu bestrafen oder zurückzuziehen
Diese weniger offensichtlichen Formen sind oft schwerer zu erkennen, aber ebenso ernst zu nehmen.
Selbstverletzung ist nicht gleich Suizidabsicht
Ein häufiges Missverständnis ist die Annahme, dass sich selbstverletzende Menschen immer auch suizidgefährdet seien. Tatsächlich dient SVV in den meisten Fällen nicht dem Ziel, das Leben zu beenden, sondern dem Versuch, mit belastenden Emotionen umzugehen. Dennoch ist es ein ernstzunehmendes Warnsignal, das auf tiefgreifende innere Not hinweist und professionelle Hilfe notwendig macht.
Hilfe und Wege aus dem selbstverletzenden Verhalten
Selbstverletzendes Verhalten kann überwunden werden – mit Geduld, Verständnis und geeigneter therapeutischer Unterstützung. Besonders wirksam sind:
Kognitive Verhaltenstherapie (CBT): zur Veränderung negativer Denkmuster
Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT): speziell für Menschen mit starker emotionaler Dysregulation
Achtsamkeitstraining und Emotionsregulation
Aufbau alternativer Bewältigungsstrategien (z. B. kreative Ausdrucksformen, Körperwahrnehmung, Kommunikation)
Unterstützung erhalten
Wenn Sie selbst betroffen sind oder jemanden kennen, der sich selbst verletzt, zögern Sie nicht, professionelle Hilfe zu suchen. Selbstverletzendes Verhalten ist keine „Phase“ – es ist ein Zeichen dafür, dass jemand leidet und Unterstützung braucht.
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